"Ich finde ja keine guten Leute mehr." "Die wollen alle zu viel Geld, das kann ich nicht bieten." Das sind häufige Aussagen, die mir im Zusammenhang mit der Personalsuche oder Personallage allgemein immer wieder begegnen. Ja, Fachkräfte gibt es nicht wie Sand am Meer und der Kampf geht von vielen um wenige Köpfe. Ja, wir arbeiten besonders im Verkauf viel mit Quereinsteiger/innen. Aber ist das ein Problem? Für mich ist es eine klare Stärke, dass wir als Bäckerhandwerk uns zutrauen aus Quereinsteigern Fachkräfte zu machen.
Trauen wir uns das wirklich zu? Oder ruhen wir uns auf dem Fachkräftemangel aus?
Hier folgt das große ABER. In meiner Arbeit begegnen mir Quereinsteiger/innen sehr oft. Aber leider häufig nicht gefördert. Ist es also gar nicht der Anspruch mancher Betriebe aus Quereinsteigern kompetente Fachkräfte zu machen? Geht es nur darum, dass "jemand da steht und verkauft?" All jene, die selbst nicht im Verkauf arbeiten, unterschätzen diesen nach wie vor häufig. Dementsprechend sind manche Quereinsteiger/innen auch wie vor den Kopf gestoßen, wenn sie in der Praxis ankommen und mit der Komplexität und dem hohen Anspruch dieses Berufes konfrontiert werden.
Da spreche ich aus Erfahrung. Auch ich habe den Fachverkauf komplett unterschätzt. Bis ich ihn selbst ausgeübt habe. Da gab es einige Momente der Unsicherheit, Ratlosigkeit und auch einmal Überforderung. Das legte sich erst durch eine gute Einarbeitung, Erfahrung und nicht zu vergessen - nach zig Schulungen! Der Fachverkauf braucht Fachwissen! Es gibt so viele Wege das zu bekommen. Aber häufig gibt es für Mitarbeitende gar kein Angebot. "Die sind eh nicht motiviert und wollen das gar nicht." Das halte ich für einen klaren Trugschluss. Weiterbildung ist ein Zeichen von Interesse und Wertschätzung und wird durchaus als solche wahrgenommen.
Es kommt tatsächlich öfter vor, dass ich von Verkäufer/innen angesprochen werde, dass sie sich mehr Schulungen und Unterstützung wünschen würden. "Aber um uns kümmert sich ja niemand. Wie das hier läuft und was den Neuen alles fehlt, ist anscheinend egal." Derartige Äußerungen sind mir durchaus häufiger begegnet.
Das müssen die vor Ort leisten - Ich glaube nicht
Ist das so? In wessen Verantwortung liegt die Qualifikation und Motivation des Personals? Meiner Meinung nach nicht bei den Mitarbeitenden selbst. Ein Angebot muss erst einmal von anderer Stelle kommen.
Es bringt rein gar nichts sich dem "Fachkräftemangel" zu ergeben und sich als Opfer der Situation einzurichten und die Situation selbst nicht zu ändern. Nur, wenn wir Bildungsangebote machen, Wissen vermitteln, selbst motivieren, Interesse zeigen, bekommen wir Fachkompetenz und Motivation zurück. Das alles ist wichtiger als das Geld!
Menschen möchten Sinn und Anerkennung in ihrem Tun. Sie möchten ihre Arbeit auch gut machen. Das geht aber nur, wenn ihnen gezeigt wird wie das geht.
Auszubildende - die Fachkräfte von morgen
Ein besonderes Kapitel ist für mich immer wieder die Ausbildung. Ich arbeite viel mit Auszubildenden und bekomme erschreckend oft die Rückmeldung, dass sie nur noch die Prüfung schaffen und dann gehen wollen. Der Grund ist nicht, dass die eigentlich etwas anderes machen wollten und in diesen Beruf (Fachverkauf) "gerutscht" sind. Die Gründe liegen eher in Überforderung, fehlender Unterstützung. "Ich muss mir das ja alles selbst beibringen." "Bei uns im Betrieb zeigt mir das keiner." "Ich stehe seit dem 2. Lehrjahr allein in der Filiale." Mal ganz abgesehen davon, ob dies so in der Ausbildung angedacht und rechtens ist, macht es etwas mit den jungen Leuten. Es stellt sicher, dass sie nicht bleiben. Leider oft nicht einmal mehr in der Branche. Das bedeutet 3 Jahre Zeit und Arbeit investiert und danach doch keine Fachkraft. Stattdessen negative Werbung für die Branche und den Beruf.
Wünsch dir was....
Wo sollen die Fachkräfte herkommen wenn wir sie nicht selbst ausbilden? Berufsschulen müssen teilweise Klassen zusammenlegen oder ganze Bereiche abgeben, da die Schülerzahlen zu gering sind. Das bedeutet für viele längere Fahrwege zur Schule als eigentlich nötig. Und zack - wieder ein weiterer Aspekt der Unattraktivität.
Meiner Meinung nach sind ein Großteil der Personalproblematik selbstgemacht: Zu wenig Wertschätzung, zu wenig Investition in Fort- und Weiterbildung, zu oft Ausbildung nebenher.
Gott sei Dank gibt es auch sehr gute Ausbildungsbetriebe und Betriebe, die alle Mitarbeitenden fördern, weiterbilden und auf diesem Weg erfolgreich dem Fachkräftemangel begegnen. Aber es gibt auch immer noch einige, die dies nicht tun.
Wir sind die einzige Chance und haben es in der Hand
Nur wir als Bäckerbranche haben es in der Hand den Fachkräftemangel auszumerzen. Denn nur wir haben das Fachwissen und die Ausbildungsmöglichkeiten. Nur wir können unser Wissen weitergeben, uns um Quereinsteiger kümmern und sie bei der Arbeit unterstützen. Es liegt allein an uns Potenziale zu erkennen und zu fördern. Es liegt allein an uns junge Menschen von unserer Branche langfristige zu begeistern, sie mitzureißen und so an uns zu binden. Es liegt allein an uns Bedingungen zu schaffen, unter denen sie gern arbeiten und Perspektiven zu schaffen, die attraktiv sind.
Dass das leicht ist, hat nie jemand behauptet. Aber es ist die einzige Option.
Also liebe leckerste Branche der Welt - sei selbstbewusst und nutze all die Möglichkeiten, die sich bieten. Schleife eigene Diamanten und zeige deine Stärken und begeistere die Welt von dir!
Ich bin dabei und gebe alles, um das zu tun.